Präsens
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Mit dem Präsens werden vornehmlich Handlungen und Zustände ausgedrückt, die
in der Gegenwart stattfinden. Sie können dabei bis weit in die Vergangenheit zurückreichen,
einer Vollendung erst in der Zukunft entgegensehen oder auch zeitlose Gültigkeit beanspruchen.
Fulget. – Es blitzt.
Ex eō tempore Rōmae vīvō. – Seitdem lebe ich in Rom. In Italiam iter faciō. – Ich reise nach Italien. Āqua ūmida est. – Wasser ist nass. Der Aspekt der Handlung (z.B. punktuell, andauernd, wiederholt, beginnend) kann hervorgehoben
werden durch ein im Präsensstamm enthaltenes Suffix sowie durch verbale oder adverbiale Zusätze:
In Italiam proficīscitur. – Er bricht nach Italien auf (= beginnt zu reisen).
Gladiātōrēs pūgnāre incipiunt. – Die Gladiatoren beginnen zu kämpfen. Iterum iterumque hunc librum legō. – Ich lese dieses Buch immer wieder. |
Gelegentlich werden auch einmalige Handlungen der Vergangenheit im historischen Präsens
ausgedrückt, vorzugsweise in (eher kurzen) Hauptsätzen, um die Darstellung lebhafter zu gestalten.
Oft werden auch historisches Präsens und Perfekt im selben Satz nebeneinander gebraucht:
Caesar loquendī fīnem facit (!) sēque ad suōs recēpit. – Caesar
beendete die Unterhaltung und zog sich zu seinen Leuten zurück.
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Imperfekt
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Wie der Name schon sagt, bezeichnet das Imperfekt unvollendete
Handlungen der Vergangenheit, woraus sich die folgenden Aspekte und Übersetzungsmöglichkeiten
ergeben.
Handlungen von längerer Dauer bzw. Hintergrundhandlungen ohne festen Anfang oder
Ende:
Puella illa rubripilleāta per silvam ambulābat. Subitō lupus māgnus
appāruit. – Rotkäppchen ging durch den Wald spazieren. Plötzlich erschien ein großer
Wolf.
Wiederholte Handlungen:
Antīquīs temporibus poētae arcēs prīncipum adībant. –
In alten Zeiten pflegten Dichter die Burgen der Fürsten aufzusuchen.
Nur begonnene bzw. versuchte Handlungen, die aber nicht abgeschlossen wurden:
Asinus tigrem fugiēbat, sed captus et lacerātus est. – Der Esel versuchte
vor dem Tiger zu fliehen, wurde aber gefangen und zerfleischt.
Gelegentlich auch irreale Handlungen, insbesondere bei posse oder dēbēre:
Poteram morbōs appellāre, sī ... – Ich könnte sie als Krankheiten
bezeichnen, wenn ...
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Perfekt
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In Fortführung der Funktionen des alten Aorist drückt das historische Perfekt
einmalige, punktuelle Handlungen der Vergangenheit aus. Damit ist es das eigentliche Erzähltempus der
Vergangenheit, das wir in der deutschen Schriftsprache gewöhnlich mit dem Präteritum wiedergeben:
Brennus Italiam invāsit, legiōnēs Rōmānōrum ad Ālliam
flūmen vīcit, Rōmam contendit. – Brennus fiel in Italien ein, besiegte die
röm. Legionen an der Allia und marschierte auf Rom.
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Im gesprochenen Deutschen verwenden wir anstelle des Präteritums jedoch häufig auch
das Perfekt als Erzähltempus der Vergangenheit. Mit diesem konstatierenden Perfekt drücken wir
aus, dass ein Vorgang der Vergangenheit für uns endgültig abgeschlossen ist. Gerade diese Distanzierung
setzt als Gegenpol die Gegenwart und Anteilnahme des Sprechers voraus, weshalb das konstatierende Perfekt (im
Deutschen wie im Lateinischen) vor allem dann verwendet wird, wenn wir von unseren persönlichen,
unwiderbringlichen Erlebnissen der Vergangenheit erzählen:
Paula narrat: "Prīmum in forum iimus. Deinde cūriam et templa quaedam
vīsitāvimus. ..." – Paula erzählt: "Zuerst sind wir auf das Forum gegangen.
Dann haben wir die Kurie und einige Tempel besichtigt. ..."
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Auch das resultative Perfekt steht in enger Verbindung zur Gegenwart des Sprechers. Es
drückt aus, dass eine Handlung der Vergangheit geschehen ist, dessen Ergebnis (Resultat) in der Gegenwart
gültig ist. Auch im Deutschen verwenden wir hier stets das Pefekt, da dies die ursprüngliche Funktion
des indogermanischen Perfekts ist.
Vīlicus servum interrogāvit: "Pūrgāvistīne stabulam?"
– Der Verwalter fragte den Sklaven: Hast du den Stall gesäubert?" (= Ist der Stall zum Zeitpunkt
der Frage sauber?)
Marcus gaudet: "Omnēs in currendō vīcī! – Marcus freut sich: "Ich habe alle im Wettlauf besiegt!" (= Ich bin schneller als alle anderen.) Besonders deutlich wird der resultative Aspekt beim Perfekt Passiv. Oft ist nur schwer zu
entscheiden, ob ein gegenwärtiger Zustand gemeint ist oder die Handlung, mit der eine Person oder Sache in
diesen Zustand versetzt worden ist. Eine analoge Verwendung dieses resulatitven Partizips setzte dann auch im
Aktiv ein und führte zu den zusammengesetzten Perfektformen mit "haben", die wir in vielen modernen
Sprachen finden:
Stabulum pūrgatum est. – Der Stall ist gesäubert (worden).
Stabulum pūrgatum habeō. – Ich habe den Stall gesäubert. / Ich habe einen gesäuberten Stall. |
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Plusquamperf.
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Das Plusquamperfekt wird verwendet, um die Vorzeitigkeit zu einer anderen Handlunge
der Vergangenheit auszudrücken. Dabei ist es unerheblich, ob die vorzeitige Handlung durativ, punktuell
oder resultativ gemeint ist:
Via ūmida erat. Anteā duōs mēnsēs torrida fuerat. – Die Straße war nass. Vorher war sie zwei
Monate lang trocken gewesen. Via ūmida erat. Nam anteā pluerat. – Die Straße war nass. Denn es hatte vorher geregnet. Via pūrgāta erat. – Die Straße war gesäubert worden / war sauber. |
Futur I
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Das Futur I wird verwendet, um punktuelle oder auch länger andauernde Handlungen der
Zukunft auszudrücken:
Prīmum lavabor, deinde Rōmam proficīscar. – Zuerst werde ich mich waschen,
dann nach Rom aufbrechen.
Diū Rōmae manēbō. – Ich werde lange in Rom verweilen. Im Lateinischen wird das Futur viel sorgfältiger beachtet als im Deutschen, wo wir auch
zukünftige Handlungen gerne mit dem Präsens wiedergeben.
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Futur II
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Das Futur II, auch Perfektfutur genannt, bezeichnet Handlungen, die in der Zukunft vollendet
werden. Man findet es vor allem in Nebensätzen, um die Vorzeitigkeit zu einer anderen zukünftigen
Handlung auszudrücken:
Tertiā hōrā eōs iam vīcerimus.. – Um die dritte Stunde
werden wir sie schon besiegt haben.
Via ūmida erit, quod anteā pluerit. – Die Straße wird nass sein, weil es vorher geregnet haben wird. Im Deutschen neigen wir dazu, unsere schwerfälligen Formen des Futur II sooft wie
möglich entweder durch das (vorzeitige) Perfekt oder durch gleichzeitige Verbformen im Futur I oder
Präsens zu ersetzen.
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Während das einfache Futur I Handlungen beschreibt, die irgendwann in der Zukunft
eintreten, drückt die umschreibende Konjugation, die mit dem Partizip Futur Aktiv und einer Verbform von
esse gebildet wird, eine bevorstehende Handlung aus, die in der Fähigkeit, Absicht oder Bestimmung
des Sprechers liegen:
Audītūrīne estis? – Seid ihr bereit zuzuhören?
Epistulam scrīptūrus sum. – Ich beabsichtige einen Brief zu schreiben. In corporibus aegrīs nihil, quod nocitūrum est, medicī relinquunt. – In kranken Körpern lassen die Ärzte nichts zurück, was schaden kann. Quid timeam, sī aut nōn miser post mortem aut beātus etiam futūrus sum? – Was soll ich mich fürchten, wenn es meine Bestimmung ist, nach dem Tod entweder nicht elendig oder sogar glücklich zu sein? Das Partizip Futur Aktiv kann dabei mit allen Tempora und Modi von esse kombiniert werden,
insbesondere in Nebensätzen:
Epistulās, quās missūrus fuerat, numquam scrīpsit. – Die Briefe, die
er hatte schicken wollen, hat er niemals geschrieben.
Nōs interrogāvit, quid factūrī essēmus. – Er fragte uns, was wir zu tun beabsichtigten. Der Infinitiv Perfekt wird für irreale Aussagen im aci der indirekten Rede
gebraucht:
Dīxit sē eōs audītūrum fuisse, sī cantāvissent. – Er
sagte, er hätte ihnen zugehört, wenn sie gesungen hätten.
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